Prof. Dr. Andreas Lamperts

Story

„Ich möchte Menschen unterstützen ohne die Regie für deren Leben zu übernehmen.“

Herr Prof. Dr. Lampert, Sie begannen Ihre berufliche Karriere mit einer Ausbildung als Feinmechaniker und haben jetzt eine Professur für Soziale Arbeit inne. Was war Ihr Traumberuf als Kind?

Den einen Traumberuf gab es so gar nicht. Als Kind hat mich alles interessiert, was mit dem Verstehen von Zusammenhängen und der Kreativität für Neues zu tun hat. Vielleicht auch sehr pragmatisch nach dem Motto: Wir haben viele Zutaten und wissen, wo wir hinwollen – fangen wir an! Deshalb hatte ich auch viele Traumberufe: Bäcker, Gärtner, Schriftsteller, Erfinder…

Statt Bäcker, Gärtner & Co. begannen Sie dann eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Das ist ja etwas ganz anderes.

Nicht unbedingt. Eine andere Branche, ein anderer Beruf, ja. Aber der elementare Teil – Zusammenhänge zu verstehen – ist in der Feinmechanik sehr stark verankert.

Ein Job, den Sie dann nach rund 6 Jahren endgültig an den Nagel gehängt haben.

Ja. Das geschah allerdings nicht ganz freiwillig: Nach der Wende wurde die Abteilung 1991 geschlossen und ich habe mich beruflich neu orientiert.

Und haben dann die Soziale Arbeit für sich entdeckt?

So schnell ging das dann doch nicht (lacht). Zuerst wollte ich die neue Gesellschaftsform besser verstehen. Aus diesem Grund absolvierte ich einen Fernstudienkurs in Volkswirtschaftslehre und belegte parallel eine Weiterbildung mit betriebswirtschaftlichen Schwerpunkten an der Thüringischen Wirtschaftsakademie. Dazu kam eine ehrenamtliche Tätigkeit für 6 Monate in einer neu gegründeten Wohnungsloseneinrichtung des Caritasverbandes. Bereits damals stellte ich fest, dass Wohnungslosigkeit viele Gesichter und Ursachen hat: Es geht um Schulden, Trennungen, Firmenpleiten, Finanzspekulationen, fehlende Bildung, Substanzmissbrauch oder stoffungebundene Süchte und vieles mehr. Manchmal auch alles in Kombination. Diese Erfahrung sowie der Zivildienst – ich war in einer stationären Altenpflegeeinrichtung beschäftigt – haben mich sehr geprägt und beeindruckt.

Aber?

Das Problem dabei war, dass man ohne eine professionelle Ausbildung im sozialen Bereich wenig bewirken kann. Ich musste mich also entscheiden, mein gewähltes Ehrenamt zu professionalisieren oder aufzugeben.

Sie haben es professionalisiert.

Ja. Ich entschied mich dafür und lehnte die Einstellungszusage eines Autobauers ab. Mit 27 Jahren holte ich meine Hochschulzugangsberechtigung nach, die mir vor der Wende aufgrund der Verweigerung des Armeedienstes verschlossen gewesen war. Und begann danach mein Studium der Sozialen Arbeit an der Ernst-Abbe-Hochschule hier in Jena. Durch das Studium konnte ich Menschen adäquat unterstützen, ohne die Regie für ihr Leben zu übernehmen oder mich selbst darin zu verlieren. Anders ausgedrückt ging es um die Balance zwischen Nähe und Distanz und die Aktualität an Wissen und methodischen Zugängen.

Das klingt nach einer guten Kombination aus Theorie und Praxis. Haben Sie während des Studiums gearbeitet?

Aber ja – während des Studiums und während der Promotion. Ich habe von 1993 bis 2011 durchweg im sozialen Bereich gearbeitet und zwischen 2006 und 2011 das Arbeitsgebiet „Alltag und Wohnen“ der Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes für Ostthüringen mit einem stationären, teilstationären und ambulanten Bereich geleitet. Damals wurden um die 60 Menschen von 15 Mitarbeitenden betreut. Zwischen 2002 und 2006 habe ich in Berlin meine Therapieausbildung in systemischer Einzel-, Paar- und Familientherapie absolviert – auch nebenberuflich.

Ein Plädoyer für den Nebenberuf?

Natürlich nicht in jeder Hinsicht (lacht). Der Schwerpunkt liegt auf einer gesunden Mischung aus Theorie und Praxis. Ich beurteile die Komponenten der beruflichen Tätigkeit und den Wissenserwerb durch Forschung und Weiterbildung in der Promotionszeit als immens wichtige Bausteine, die immer wieder dazu beitragen, den Transfer zwischen akademischem Wissen und praktischer Anwendung aufeinander zu beziehen. Wahrscheinlich passt daher auch die Denomination meiner Professur zwischen Kopf, Herz und Hand so gut: „Theorie und Praxis der Methoden der Sozialen Arbeit.“ Es geht immer darum, theoretisch vorauszudenken, Fragestellungen wissenschaftlich zu durchdringen, im Gespür für die Situation und Empathie für andere Menschen methodisch Veränderungsmöglichkeiten auszuloten und gemeinsam mit ihnen daran zu arbeiten. Aus der praktischen Umsetzung ergeben sich nicht selten neue Erfahrungen und Themen für die Forschung und theoretische Reflexion. So schließt sich dann der Zirkel des Transfers zwischen Theorie und Praxis.

Wie empfanden Sie die Zeit der Promotion?

Sie hatte Höhen und Tiefen. Es gab zwei Jahre, in denen ich früh um 5 Uhr am Schreibtisch begann, an der Promotion zu schreiben. Um 6:30 Uhr radelte ich zur Arbeit. Gegen 16:30 Uhr fuhr ich zurück, dann wieder Schreibtisch bis 20:30 Uhr. Was ich sagen möchte: Die Zeit der Promotion braucht Motivation und Durchhaltevermögen. Dabei hilft es, wenn Fragestellungen für die eigene wissenschaftliche und/oder praktische Tätigkeit relevant sind. Zudem sind soziale Beziehungen wichtig, die Raum zur Individualität lassen, ohne das Verbindende zu vernachlässigen. Ich bin seit 2002 mit meinem Partner zusammen und diese Zeit haben wir gut überstanden, weil wir viel miteinander über diese berufliche Belastung gesprochen haben.

Heute sind Sie Professor an der EAH – wie kam es dazu?

Eine Professur habe ich anfangs überhaupt nicht angestrebt. Ich bin erst über eine praxisrelevante Fragestellung zur Forschung und Dissertation gekommen. Es ging dabei um die Frage, wie chronische Prozesse bei Klient:innen verstehbar sind und professionelle Unterstützung zum Durchbrechen von Suchtkreisläufen beitragen kann. Dazu gab es zu jener Zeit viele Thesen, aber kaum wissenschaftliche Forschung im Feld, die sich mit der Komplexität sozialer Beziehungen im Zusammenhang mit chronischen Prozessen auseinandersetzt. Professorin Regina Krczizek vom Fachbereich Sozialwesen der EAH Jena riet mir zu einem eigenen Forschungsthema. Daraus entwickelten sich dann die Forschungsfrage nach der professionellen Unterstützung und meine Dissertationsschrift, die ich von 2004 bis 2009 kooperativ zwischen der EAH und der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften am Institut für Soziologie bei Professor Bruno Hildenbrand an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena bearbeitete. Im Jahr 2011 riefen dann zwei Hochschulen parallel für den Antritt einer Professur. Ich entschied mich für meine Heimathochschule, die EAH. Hier finde ich den kollegialen Austausch und Möglichkeiten, das Themengebiet der Professur in Theorie und Praxis der Methoden Sozialer Arbeit in Lehre, Forschung und Transfer entwickeln zu können. Diese Entscheidung habe ich nie bereut.

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