Alex Müntz

Story

„Das unbekannte hat mich immer schon gereizt!“

Herr Müntz, als Kind wollten Sie Müllmann werden. Warum nicht Pilot, Polizist oder Astronaut?
Ganz einfach: Die Müllmänner, die ich sah, durften hinten auf dieser kleinen Metallleiter stehen und per Pfeifen mitteilen, dass der Fahrer weiterfahren darf. Freiheit pur. Die anderen Berufe haben das in dieser Form nicht.

Und dennoch sind Sie nicht Müllmann geworden, sondern haben promoviert. Wie kam es dazu?
Da habe ich auf den freundlichen Hinweis von Freunden und Bekannten gehört, doch nicht der Karriere als Müllmann nachzugehen.

Welche Zweifel hatten die Freunde?
Ich konnte tatsächlich nicht laut genug pfeifen (lacht). Diese Kunst habe ich aber vor Kurzem endlich gemeistert.

Stattdessen haben Sie dann…?
…nach dem Abitur Optometrie studiert.

Dafür sind Sie 2005 nach Jena gezogen. Oder haben Sie vorher schon hier gewohnt?
Ersteres. Das war ein recht großer Umzug. Und ein einschneidendes Ereignis in meinem Leben. Ich meine, ich war 19 Jahre alt, mehr als 1500 Kilometer von Zuhause entfernt und kannte niemanden. Ein Sprung ins kalte Wasser. Und das erste Mal, dass ich erkannt habe, wie spannend und aufregend die Welt sein kann. Aber das Unbekannte hat mich schon immer gereizt, daher habe ich mich damals auch sehr auf das Studium gefreut.

Hatten Sie anfangs Probleme mit der Sprache?
Nein, glücklicherweise nicht. In Siebenbürgen gibt es noch viele deutsche Schulen. So wuchs ich zweisprachig auf – in der Schule wurde deutsch gesprochen, zuhause rumänisch. Daher war das für mich kein Hindernis. Allerdings musste ich mich in Thüringen anfangs an den Dialekt gewöhnen und habe nicht alles verstanden, obwohl ich dachte, ich verstehe die deutsche Sprache sehr gut. Ebenso mussten sich die Menschen aber auch an meinen Dialekt gewöhnen. Durch das rollende „R“ dachten die meisten übrigens, ich käme aus Bayern (lacht).

Also doch eine Herausforderung, die es zu meistern galt (lacht). Sie begannen also Ihr Studium in Jena.
Genau. Von 2005 bis 2011 habe ich zunächst im Bachelor Augenoptik/Optometrie studiert, anschließend dann den Master in Vision Science. Beides an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena.

Dachten Sie nach dem Bachelor daran, erst einmal in die Arbeitswelt einzutauchen oder haben Sie direkt den Master angestrebt?
Vor dem Studium hätte ich diese Frage nicht beantworten können. Aber während des Bachelors hatte ich begonnen, Wissen regelrecht in mich aufzusaugen und es gab noch so viel an Wissen und Fragen, die in der weiten Welt auf einen warteten und nach einem riefen. Da stand für mich außer Frage, nach dem Bachelor Schluss zu machen. Ich glaube, ich war richtig gierig nach Wissen.

Verständlich. Anschließend haben Sie ja sogar noch promoviert. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Das Studium war in praktisch-klinischer, theoretischer und technischer Hinsicht sehr vielfältig. Entscheidend war aber die Begegnung mit der Forschung. Da sprang der Funke dann über und meine Neugier war geweckt. Man lernt da ständig Neues und die Tätigkeiten sind sehr abwechslungsreich. Und ich hatte das Glück, die richtigen Mentoren und Mentorinnen an meiner Seite zu haben. Sie haben mir viel Mut gemacht und mir gezeigt: Du kannst das! Dazu kam die Gelegenheit, in Kanada die nächsten sieben Jahre zu verbringen und dort zu promovieren. Da konnte ich nicht nein sagen.

Der zweite Sprung ins kalte Wasser. Wie ging es nach der Promotion weiter?
Natürlich mit dem dritten (lacht). Und zwar als wissenschaftlicher Mitarbeiter (postdoc) an der University of Auckland in Neuseeland. Diese Rolle ist die übliche weiterführende Etappe in der akademischen Laufbahn. Die Promotion ist nur ein Führerschein für wissenschaftliches Arbeiten. Damit möchte ich den Titel aber keineswegs kleinreden. Man erwirbt dadurch die Grundkenntnisse und -fähigkeiten, aber auch den Zugang zu den nächsten Stufen der Forschung. Das ist ein sehr abwechslungsreicher Weg, der für jede und jeden anders aussieht.

Sie gingen also den akademischen Weg ohne Umweg, richtig?
Genau. Ich kenne aber auch viele, die nach dem Studium arbeiten gegangen sind und später wieder an die Universität zurückkamen. Dieser Weg hatte sich für mich spätestens dann erledigt, als ich die Forschung für mich entdeckt hatte.

Reden wir über Highlights: Was waren Ihre persönlichen Höhepunkte während des Studiums und bei der Promotion?
Es sind tatsächlich zwei gegensätzliche Erkenntnisse zum gleichen Thema: Freiheit. Im Praktikum während des Studiums erlebte ich zum ersten Mal den beruflichen Alltag. Keine Prüfungen, kein nächstes Semester, keine schweren Lebensentscheidungen (lacht). Ich musste „nur“ dem täglichen Job nachgehen. Das war immens befreiend. Gleichzeitig aber auch unheimlich. Und eindeutig nichts für mich in dieser Lebensphase. Also noch nicht. Ich musste einfach weiterstudieren. Das schloss früher oder später dann auch die Promotion mit ein. An der Uni lernte ich dann die akademische Freiheit des Denkens kennen, die genau zur richtigen Zeit kam. Sie ist es, die mich täglich antreibt.

Neben dem täglichen Antrieb: Wie hat sich Ihr Leben seit der Promotion noch verändert?
Ich denke, ich bin kritischer geworden. Aber auch viel entspannter, wenn die Rede wieder von „bahnbrechenden Erkenntnissen“, „absoluten Wahrheiten“ oder „zweifellos effektiven Mitteln“ ist. Was aber mein Leben definitiv nachhaltig verändert hat, ist das Verständnis von der Welt und ihrer Komplexität. Je tiefer man in die Wissenschaft eintaucht, desto mehr Zusammenhänge versteht man. Das ist oft sehr nützlich, oft aber auch sehr beängstigend (lacht). Aber im Ernst, der Wissenschaft verdanken wir es, dass wir heute so alt werden, dass wir viele Krankheiten heilen und dass wir das Leben immer komfortabler gestalten können. Oder dass wir stundenlang am iPhone scrollen können (lacht).

Jetzt machen Sie mir fast ein schlechtes Gewissen (lacht). Andere Frage: Wie hat es Sie nach Neuseeland verschlagen?
Das waren bei mir drei Schritte: Kontakte auf internationalen Tagungen knüpfen, promovieren, an Türen klopfen.

Das klingt wirklich einfach.
Dabei darf man nicht vergessen, dass man das auch wollen muss. Die Entfernung zur restlichen Welt – vor allem zur Familie – ist nämlich groß.

Sie wollten aber offensichtlich, denn Sie lebten und arbeiteten ja fünf Jahre dort.
Abgesehen von der Entfernung ist Neuseeland ein Paradies. Die Natur, die Menschen, die einheimische Kultur, die Inselstimmung – die Leute sind relaxed und ein Strand ist immer in der Nähe. Für mich ist das einer der schönsten Orte zum Leben und Arbeiten. Also ja, ich wollte das. Und werde diese Zeit auch immer in bester Erinnerung behalten. Aber jede Phase geht mal zu Ende und so führt mich mein Weg jetzt wieder woanders hin.

Richtig, Sie sind ja gerade auf dem nächsten Sprung. Wie geht die Reise weiter?
Ich kehre nach Europa zurück. Dort erwartet mich ab September eine Professur in der Schweiz. Das kalte Wasser lässt wieder grüßen (lacht). Aber ich bin wirklich schon sehr gespannt darauf und kann es kaum erwarten, diesen nächsten Schritt zu gehen. Das wird aufregend.

Fortsetzung folgt…

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